In der Luftfahrt gibt es ein ganzes Paket goldener Regeln, die dafür sorgen, dass Piloten ihre Flugziele sicher erreichen. Was wir von ihnen für Leadership, Business- und Privatleben lernen können, erfahren Sie in dieser Kolumne im JET-Blog.:
No. 6
Never let an airplane take you somewhere that your brain didn’t get to five minutes earlier.
Lass Dich nie von einem Flugzeug an einen Ort tragen, an dem Dein Gehirn nicht schon 5 Minuten früher war.
Besonders nach Instrumenten fliegenden Verkehrs- aber auch Privatpiloten wird in der Flugausbildung die Grundregel „Stay ahead of the airplane – sei immer dem Flugzeug voraus“ beigebracht.
Piloten planen im Flug immer bereits den nächsten Schritt.
Sie bereiten zum Beispiel die Landung schon im Reiseflug deutlich vor der Ankunft am Zielflughafen vor. So bleibt, sollte etwas technisch nicht funktionieren, wie es sollte, Zeit und vor allem Ruhe, um den Fehler zu erkennen, zu beheben, vorher durchgedachte Alternativverfahren zu planen und stressfrei richtige Entscheidungen zu treffen.„Dem Flugzeug immer voraus sein“ bedeutet für Piloten im Flug aber auch, exakt zu wissen, wo sie sich gerade befinden und wohin der Flugweg als nächstes führt, und das jederzeit. Dies bewahrt sie davor, (schleichend) vom Kurs abzukommen, auch wenn sie gegen eine tiefstehende Abendsonne, in oder über den Wolken fliegen und deshalb die Landschaft am Boden nicht erkennen können. Sie bedienen sich dafür diverser Navigationsinstrumente, wie GPS, Funkfeuer am Boden oder greifen auf die Unterstützung eines Fluglotsen zurück.
Aber selbst Piloten, die bei klarer Sicht mit gutem Blickkontakt zum Boden fliegen, benutzen eine Flugkarte, in die sie eine Kurslinie, aufgeteilt in 2-Minuten Abschnitte einzeichnen. So können sie während des Fluges zu Beginn jedes dieser Abschnitte prüfen, ob die Landschaft unter ihnen der Planung entspricht, welche Landschaftsmerkmale in den nächsten 2 Minuten auftauchen müssten, ob die Rahmenbedingungen wie Windrichtung und –stärke stimmen und, falls letzteres sich geändert hätte, entsprechend neu planen, entscheiden und so optimal und sicher ihr Ziel erreichen.
Je schwieriger die Rahmenbedingungen bei einem Flug werden, desto wichtiger ist es für Piloten, dem Flug immer einen Schritt voraus zu sein. Dadurch können sie frei von Emotionen passende Entscheidungen treffen und verhindern, unter Stress gar in eine Schockstarre zu verfallen. Und gerade um das Fällen von Entscheidungen geht es in solchen Momenten: Piloten, die bei sich verschlechternden Umständen im Flugzeug auf Dauer keine Entscheidung treffen, wiegen sich in einer gefährlichen, vermeintlichen Sicherheit, denn augenscheinlich passiert ja zunächst mal nichts. Aber: ein Flugzeug lässt sich im Flug nicht anhalten und auf „Pausenmodus“ setzen. Es fliegt und das mit ordentlicher Geschwindigkeit. Und während es fliegt, verliert es permanent Energie. Ein Segelflugzeug verliert Höhe, ein motorgetriebenes verbraucht Sprit. Beim Fliegen steht Energie, egal ob Lage- oder Treibstoffenergie in engem Zusammenhang mit der Menge der Optionen und Handlungsmöglichkeiten. Wer beim Fliegen versucht, Dinge auszusitzen, wird schleichend vom Eigengesteuerten zum Fremdgesteuerten, der irgendwann keine Optionen mehr hat und den Umständen ausgeliefert ist – in der Luftfahrt bedeutet dies in der Regel den Crash.
Wer bis hier gelesen hat, kann mit Sicherheit schon jetzt eigenständig die Parallelen zu Business und Projektmanagement sehen.
Bereiten Sie Ihre „Landungen“ rechtzeitig vor, in dem Sie die erforderlichen Schritte, und wo nötig auch Alternativschritte, für das sichere Ankommen bei wichtigen Unternehmens- oder Projektzielen mit ausreichend Vorlauf checken und planen.
Seien Sie sich auf dem Weg dorthin Ihres aktuellen Standortes immer bewusst: wo genau sind Sie auf der Timeline, wie ist es mit den Kosten, wie ist Ihre Crew motiviert?
Verlieren Sie, wenn Sie keine geeigneten Instrumente, wie z.B. kompetente weitere Leader oder entsprechende technische Tools haben, nicht die Bodenhaftung – so, wie Piloten in solchen Fällen nie den Blick zur Landschaft aufgeben.
Denken Sie permanent die direkt anstehenden Meilen kurz vor: was sind die nächsten Schritte im Projekt, wie müsste sich Ihre Situation und die Rahmenbedingungen, wenn es nach Plan läuft, entwickeln?
So, wie Piloten durch diesen Abgleich erkennen können, ob sie mehr Gegen- oder Rückenwind als geplant haben, was den Flug länger (=teurer) oder kürzer (=günstiger) werden ließe, haben Sie die Chance zu erkennen, ob die Entwicklung Ihrer Ziele, sei es zeitlich, kosten- oder motivationstechnisch, besser oder schlechter als kalkuliert läuft, um bei Bedarf rechtzeitig angemessen agieren zu können.
Wenn die Situation unklar ist, schieben Sie wichtige Entscheidungen nicht zu lange vor sich her: so wie ein Flugzeug im Zweifel kontinuierlich Betriebsflüssigkeit, also Sprit verbraucht, werden Sie in Ihrem Unternehmen durch Nichtstun eines mit Sicherheit ebenfalls: immer weniger flüssig, sprich liquide. Und wenn Sie dann auch noch „Höhe“ verlieren, also zum Beispiel Mitarbeiter kündigen, wichtige Werkzeuge oder bereits erreichte Etappenziele aufgeben müssen, dann schrumpft die Menge Ihrer Möglichkeiten schlagartig und Sie werden schnell vom Agierenden zum Reagierenden, der nur noch unstrukturiert am Feuer löschen ist und am Ende vielleicht sogar insolvent – Crash eben…
Wer es als Manager also handhabt wie Piloten, die „ahead of the plane“ sind, der wird sich immer über den Stand und die aktuellen Rahmenbedingungen rund um sein Vorhaben, Projekt oder Ziel im Klaren sein – und, weil er energetisch und mental seiner Situation eben einen Schritt voraus ist, in der Lage zu sein, bei Hindernissen oder Stolpersteinen ohne hinderliche Emotionen, ruhig die richtigen Entscheidungen für den erfolgreichen Kurs des Unternehmens zu treffen.
Was das Thema Emotionen angeht, verstehen Sie mich hier nicht falsch: sie sind wichtig und wer mich kennt, der weiß und erlebt dies gerade auch bei mir.
Gerade die leidenschaftlichen Emotionen für unser Ziel oder unsere Träume, sind unser Antrieb und unerschöpfliche Energiequelle.
Sie werden sie bei fast allen Piloten erleben können, spätestens wenn einer von ihnen mit glänzenden Augen von seinem Traum vom Fliegen und den damit verbundenen Erlebnissen erzählt.
Emotionen beim Leben der fliegerischen Leidenschaft an den notwendigen Stellen bewusst durch Disziplin und Regeln zu steuern und zu kontrollieren, betrachten Piloten als selbstverständliche und lohnende Investition in ihr Ziel.
Wenn ihnen das so im Unternehmen gelingt, werden auch Sie und Ihre Crew am Ende auf viele gelungene Projekte und erreichte Ziele mit Begeisterung und Inspiration zurückblicken können.